Leistung

Leistung

Sep 11, 2025
Für diesen Artikel empfehle ich, vorher einmal im Glossar meine Definition von Logos und Eros nachzulesen.
 
Um auf hohem Niveau leisten zu können, braucht es ein starkes Logos.
Es ist das Gefühl, wenn der Geist sämtliche Gedanken und Gefühle kanalisiert, um ein Ziel zu verfolgen. Es geht darum, all seine Energie in eine Sache zu investieren. Sei es für einen Moment oder über eine längere Zeit hinweg. Wir müssen hier in der Lage sein, unsere Emotionen zu regulieren, um unsere körperlichen und geistigen Kapazitäten voll ausschöpfen zu können.
Der Mensch ist dafür gemacht, zu fühlen. Beim Leisten geht es also darum, die nützlichen Gefühle zu aktivieren und die anderen zur Seite zu schieben.
Das Streben nach Leistung hilft uns, unsere Grenzen auszutesten und über uns hinaus zu wachsen. Es bringt uns auch emotional in Grenzzustände und deshalb finde ich dieses Gefühl so unglaublich faszinierend.
 
Doch wie immer gibt es auch eine Kehrseite der Medaille.
Wir setzen uns in diesem Moment quasi Scheuklappen auf - was in einer Welt, die so voll von Einflüssen ist, erst mal eine sehr gute und wichtige Kompetenz ist. Doch ein Bündeln der Aufmerksamkeit, bedeutet ein Bündeln auf beiden Ebenen. Auf faktischer, sowie auf emotionaler Ebene.
Seien es unsere eigenen Gefühle, oder die von Anderen - je mehr wir in das Logos der Leistung gehen, kann es passieren, dass wir in einen Tunnel kommen, in dem wir unser Herz vor der Weite der Welt verschließen.
Also geht es darum, Eros zu integrieren. So, dass es uns nicht am Leisten hindert, aber gleichzeitig unser Herz immer wieder öffnet und aufweicht.
Entscheidend ist hier die Kernmotivation für unser Leistungsstreben.
 

 
In meinen Beobachtungen erkenne ich aktuell drei Motivationsfaktoren:

Verdrängung

Leistung kann - wie jedes Suchtmittel - eine Ablenkung von unseren eigenen Gefühlen sein. Indem wir uns dieser einen Sache mit aller Intensität hingeben, können wir unangenehme Gefühle (und Gedanken) wie Schmerz, Verzweiflung oder Trauer verdrängen.

Liebe

Aus tausend verschiedenen Gründen kann es sein, dass wir einen Mangel an Liebe von unseren Eltern erfahren haben.
Wie ich in dem Artikel Lieben beschreibe, können wir nur in dem Maße Lieben und auch geliebt werden, in dem wir uns selbst lieben.
Ob der Ursprung für den Mangel in der Selbstliebe oder in der Liebe der Eltern liegt, darin unterscheiden sich Spiritualität und Psychologie.
Fest steht aber: wir können unsere Eltern nicht ändern und wir können sie nicht dazu zwingen uns doch endlich die Form der Liebe zu geben, die wir brauchen oder ihre vergangenen Fehler rückgängig zu machen.
Also bleiben uns zwei Optionen:
  1. Uns selbst die Liebe geben, die wir uns so sehnlichst wünschen. Eine Liebe, die den Schmerz heilen und das Loch füllen wird.
  1. Wir versuchen alles, um die Liebe unserer Eltern endlich zu bekommen. Das kann je nach Eltern sehr unterschiedlich aussehen. Aber tendenziell lehrt uns unsere Gesellschaft: leistest du, wie es von dir erwartet wird, wirst du geliebt.
    So liegt hinter unserer Arbeit, die ständige Bemühung, Erwartungen zu erfüllen. So groß die Leidenschaft für die Sache auch sein mag, liegt darunter immer eine Verzweiflung. Jedes Versagen fühlt sich an, als würde es unseren Wert verringern. Jede Mittelmässigkeit ist von der Leere geprägt, nicht liebenswert zu sein.

Bestätigung

Hier geht es mehr um Anerkennung und Akzeptanz, als um Lieben aber dennoch: Es geht wieder um einen geringen Selbstwert, der durch Leistung ausgeglichen werden soll.
Neben den Eltern (oder anderen Bezugspersonen) kann hier die Schule einen großen Teil zu beitragen.
Wir wachsen in dem Denken auf, dass unser Wert mit unserer Leistung verknüpft ist. Es gibt die Guten und die Schlechten. Die, die es können und die, die es nicht können. Unsere Bemühungen werden mit Noten kommentiert. Diese Noten scheinen darüber zu entscheiden, wer es in dieser Gesellschaft zu etwas bringen wird und wer nicht. Und die Nachricht unserer Gesellschaft ist klar: nur wer genug leistet, hat es verdient, ein Teil des Systems zu sein.
(Nach welchen Werten dies bemessen wird, mache ich im Artikel “Nimm mich ernst !” deutlich)
Bei mir war die Motivation lange das Bedürfnis, meinen Platz in der Gesellschaft zu finden. Für mich hieß das: ernst genommen werden - eine Wirkung und eine Bedeutung in dieser Welt haben.
Da drüber lag schon immer eine Begeisterung für das Trompete-spielen, die in mir wohnt, seitdem ich denken kann.
Aber in der Tiefe hatte meine Arbeit immer einen verzweifelten Beigeschmack, der darauf wartete, dass ich endlich gut genug in etwas bin, um meinen Wert anzuerkennen. Eine Wunde, die ich 20 Jahre in mir habe wachsen lassen, heilt nicht so schnell. Sie braucht Zeit und Verständnis. Aber je mehr ich es erkenne, desto klarer merke ich, dass ich diese destruktiven Gedanken Stück für Stück abbaue, bis sie eines Tages nicht mehr als eine Erinnerung sein werden.
 

 
Was verbindet alle drei Motivationsfaktoren miteinander ?
Angst. Ihnen allen liegt die Angst zugrunde, nicht die Bestätigung zu bekommen, nicht geliebt zu werden, oder mit den Schatten des eigenen Unterbewusstseins konfrontiert zu werden.
Und Angst verschließt unser Herz.
Um also ein Eros integrieren zu können, brauchen wir eine Motivation, mit der wir die Angst-behafteten Motivationsfaktoren ersetzen können:
 

Leidenschaft

Es ist ein Gefühl, das aus einer Fülle kommt, nicht aus einem Mangel. Die Leidenschaft fordert Mut, denn die Leidenschaft ist ehrlich. Sie erkennt, dass wir nicht in einem Graben sitzen, aus dem wir rausgeholt werden müssen. Denn sie weiß, wie unglaublich liebenswert und genial wir eh schon sind und sie sieht, was von hier aus alles möglich ist.
 
Bei mir persönlich klappt das mit dem wegpacken von Emotionen nur bedingt. Manchmal würde ich mir diese Fähigkeit zwar wünschen, aber runterdrücken funktioniert bei mir einfach nur, wenn es um Leben und Tod geht. (Der Tod meines Egos zählt hierbei anscheinend nicht..)
Meine Neugier für jegliche emotionalen Zustände ist einfach viel zu groß. Es ist eine Neugier, die so tief in meinem Körper verankert ist, dass meine Leistung täglich zwischen genial und unterirdisch pendeln kann.
Mein Unterbewusstsein hat seinen Spaß daran, jedem kleinsten Konzert eine riesige Bedeutung für mein Leben zu verleihen. Damit geht es sicher, dass die Vorbereitung, sowie das Konzert eine aufregende und intensive Angelegenheit für mich sind. Mittlerweile habe ich dieses Spiel durchschaut und wenn ich ehrlich bin - ich genieße und brauche es auch.
Für mich ist der Grund, warum ich leisten will, das Streben nach einem freien Ausdruck auf der Trompete. Hierfür brennt in mir ein Feuer und hierfür bin ich bereit alles zu geben.
Je mehr ich es schaffe, in meinen eigenen Ausdruck zu kommen, desto mehr schaffe ich es, meine Aufmerksamkeit beim Spielen zu kanalisieren.
 

 
Beim Leisten begeben wir uns ständig an unsere Grenzlinie. Wie ich in Das Durchbrechen der Grenze ausführe, bedeutet das, dass wir hierbei ständig dazu gezwungen sind, unseren Willen und unsere Entschlossenheit zu aktivieren. Eine Zielstrebigkeit, die uns alles geben lässt. Ich liebe dieses Gefühl.
 
Beispiel: Fahrrad fahren
Treten. Das Ziel vor Augen. Nicht langsamer werden. Schneller! Dran bleiben! Nicht an das Gespräch von gestern denken! Es ist jetzt nicht wichtig, was diese Person gefühlt, gesagt oder gedacht hat! Treten!! - Mein ganzer Körper verschmilzt mit meinem Vorhaben und da ist nichts anderes mehr, als Fahrrad fahren. Die konstante Bewegung meiner Beine. Der Atem, der meine Lungen füllt. Der Blick starr nach vorne gerichtet. Auch meine Gefühlswelt wird härter. Jetzt ist keine Zeit für Gefühle.
Ich verstehe plötzlich, warum diese schicken Sportler mich immer nur mit einem ernsten Nicken grüßen. Es gibt in diesem Moment nur das Ziel. Wer mir entgegen kommt ist unwichtig. Sie fahren wie Schatten an mir vorbei. Ich kannte das Gefühl bisher nur vom Trompete spielen und freue mich, es beim Fahrradfahren zu entdecken.
Aber halt! Ein wunderschöner Fluss, der zwischen den Bergen entlang führt, fast hätte ich ihn verpasst. Normalerweise überwältigt mich ein Anblick wie dieser. Dieses Mal bleibt mein Herz kalt. Ich kann nur an mein Ziel denken. Ich muss weiter! Ich bin doch gerade mittendrin. Es werden noch andere schöne Aussichten kommen, die ich bewundern kann. Also nehme ich wieder Speed auf.
Oh stand da gerade jemand und wollte ein Gespräch mit mir anfangen? Ach, es begegnen mir noch genug andere Menschen, dieser wird auch ohne meine Begegnung klar kommen.
 
Dieses Gefühl ist unglaublich. Es ist eine Kraft in uns, die darauf wartet, geweckt zu werden. Aber wir sind Menschen und unser Herz sehnt sich danach, sich für unsere Mitmenschen und vor allem für uns selber zu öffnen. Wenn wir es verpassen, uns zuzuhören, versammeln sich all diese unterdrückten Gefühle in den Tiefen unseres Unterbewusstseins und suchen verzweifelt nach Möglichkeiten, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen.
 
Wenn wir eine natürliche Leidenschaft nach Leistung verspüren (was nicht bei jedem Menschen der Fall sein muss!) ist es wichtig, ihr nachzugehen.
Gleichzeitig müssen wir lernen, in bestimmten Momenten auch weich sein zu dürfen. Entscheidend ist, dass wir den Switch finden.
Nur dann ist das Leistungsbestreben etwas, das uns erfüllt und glücklich macht, anstatt uns langsam von innen auszubrennen.
 
notion image
 
Nur dann können wir auch die Grenzen erkennen, wenn unser Körper nach einer Pause schreit.
Nur dann können wir ein Kompliment nach einem Konzert annehmen, ohne beschämt zu widersprechen und aufzuzählen, warum es nicht perfekt war.
Nur dann können wir für unsere Ziele alles geben, ohne Familie und Freunde aus den Augen zu verlieren.
 
So werden wir zu einer Gesellschaft, die weiter nach vorne geht, ohne dass sie sich selbst verliert und mit 180 gegen die Wand fährt.
So sind wir offen für die Wunder des Lebens, nach denen wir uns alle sehnen und erkennen all die verschiedenen Facetten, die es uns zu bieten hat.
Denn nur so finden wir das Glück, das bereits da ist und in jedem Moment darauf wartet, von uns entdeckt zu werden.