Das Durchbrechen der Grenze

Das Durchbrechen der Grenze

Jul 3, 2025
In dem Artikel die Begrenzung der Vergangenheit habe ich bereits über die Begrenzungen geschrieben.
Wie kann man diese Begrenzungen nun durchbrechen?
Es ist immer eine Mischung aus E1 und E2 und das Maß und die Art und Weise sind sehr individuell. Die Begrenzungen sind nicht rational und wenn wir dies erkennen ist das zwar der erste Schritt, aber um diese Erkenntnis unserem Unterbewusstsein auch klar zu machen, braucht es immer Arbeit auf beiden Ebenen.
 

Schritt 1: Erkennen

Man wird sich seiner Ängste, Zweifel und negativen Glaubenssätze bewusst und man erkennt, wie diese einen davon abhalten, das Leben zu führen, das man eigentlich aus tiefstem Herzen führen möchte. Hier kommen Sehnsüchte in uns hoch und wir erlauben uns zu Träumen. Vielleicht können wir es noch nicht genau greifen, aber das Träumen zuzulassen ist essentiell für den nächsten Schritt.

Beispiel 1: Trompete

Bei mir war das der Punkt, wo ich die Grenze durchbrochen hatte, mir zuzutrauen, eine gute Orchestertrompeterin werden zu können. Als dieses Ziel für mich realistisch wurde, hatte sich mein Horizont plötzlich komplett geweitet und ich traute mich auch, mir andere Ziele als Trompeterin vorzustellen.
 

Beispiel 2: Beziehung

Je mehr ich mich meiner Emotionswelt öffnete, desto mehr erkannte ich, dass die Beziehung in der ich damals war, einer Ines enspricht, von der ich mich mehr und mehr entfernte.
 
Übergang
Im Übergang zu Schritt 2 entscheidet sich, ob wir wirklich schon bereit für das Durchbrechen der Grenze sind.
Nicht selten rudern wir wieder in die alte Realität zurück. Es scheint uns wie eine kleine Spinnerei. Ein unrealistischer Ausflug in surreale Träume.
Hier ist es wichtig, dass wir nicht auf die Stimme hören, die uns «zurück auf den Boden der Tatsachen» holen will, sondern ihr unsere Entschlossenheit klar machen.
 

Schritt 2: Wollen (E2)

Oft wollen wir es doch schon so sehr und verstehen nicht, warum wir immer wieder in den alten Mustern landen, von denen wir doch wissen, dass sie uns nicht gut tun.
Schritt 2 können wir nicht überspringen. Wir können zwar unser Handeln entsprechend umsetzen (E1), aber wenn die Grenze in unserem Fühlen noch nicht überwunden ist, wird uns das negative Gefühl hartnäckig begleiten und immer wieder zurück ziehen.
Auch wenn wir eine Zeit lang glauben, alles sei gelöst - solange die Grenze nur am bröckeln ist und nicht am durchbrechen, wird sie sich immer wieder verhärten. Vor allem in dem Moment, in dem wir an ihr Kratzen, tut sie noch einmal alles, um ihr Überleben zu sichern.
 
Aber wenn wir doch wissen, wie schön es auf der anderen Seite der Grenze sein könnte, warum gehen wir dann nicht einfach drüber ?
Weil unser Unterbewusstsein genau weiß, dass sich auf der anderen Seite alles verändern kann.. Mit dem, was wir dazu gewinnen, zahlen wir einen Preis. Und von etwas altem loszulassen, ist nicht selten mit Schmerz verbunden.

Beispiel 1: Trompete

Ein Jahr vor meinem Abschluss, wurde meine Entscheidung einen anderen Weg mit der Trompete einzuschlagen klarer. Ich machte mich damals auf eine einwöchige Fahrradtour durch Dänemark, um mir meiner Ziele bewusst zu werden und so entschlossen ins neue Semester starten zu können. Mir war klar, wenn ich diese Entscheidung einmal fällte, gab es kein zurück mehr und ich verzichtete endgültig auf jedes bisschen Sicherheit (was bei dem Ziel Orchester eh schon gering ist)

Beispiel 2: Beziehung

Es gibt für mich keinen schlimmeren Schmerz, als sich von einem Menschen zu entfernen, der einem einst sehr nahe war. Zu wissen, je mehr Grenzen ich durchbreche, desto weiter entfernen sich unsere Welten voneinander. Man lebt nebeneinander her und sieht dabei zu, wie man sich mehr und mehr fremd wird.
Die Freiheit die ich dadurch bekam ist unbezahlbar, aber die Trauer um den Verlust dieser Verbindung wird wahrscheinlich immer bleiben.
 
 

Schritt 3: Tun (E1)

Wir können emotional-mental noch so gut aufgestellt sein - wenn wir nicht die notwendigen Schritte gehen, bleibt es eine bloße Idee.
Hier werden wir erst mal mit einigen Aktionen außerhalb unserer Komfortzone konfrontiert. Mal um mal finden wir uns in Situationen wieder, in denen der Kopf sagt «das kannst du doch jetzt nicht machen» und meist auch noch tausend gute Gründe parat hat. Hier ist es wichtig, dass wir hinter diese Stimme hören. Fühlen. Für mich ist das ein Gefühl, das meinen ganzen Körper mit einem einzigen «JA» füllt. Letztendlich habe ich dann schon gar keine Wahl mehr, weil das Gefühl und die damit verbundene Idee mich nicht mehr los lassen, bis ich ihr nachgehe. Ganz egal der Resultate. Eine Entscheidung, die wir aus dieser Tiefe treffen, bereuen wir nicht. Auch wenn wir auf Misserfolg oder Ablehnung stoßen, wissen wir, dass wir mit dieser Entscheidung unserem Herzen zu 100% treu waren.
Und ein ehrliches Herz sucht nicht nach Bestätigung, sondern nur nach einer puren Hingabe an das Leben.

Beispiel 1: Trompete

Jetzt musste ich auch ins umsetzen kommen. Ich teilte meinem Prof meine Entscheidung mit und die Suche begann. Ich suchte Musiker:innen. Ich suchte Menschen mit unterschiedlichsten Einstellungen, Musik zu machen und durchdachte diese Konzepte. Ich belegte verschiedenste Kurse an der Hochschule, die interessant sein könnten. Ich suchte Jamsessions. Ich überwand mich, meine Vision zu kommunizieren und mir so dieses Ziel zu festigen. Ich suchte Optionen wie ich nach meinem Bachelor mein Ziel verfolgen wollte.

Beispiel 2: Beziehung

Hier ist das alles ein bisschen komplexer, weil zwei Menschen daran beteiligt sind. Wichtig ist, für seine Erwartungen und Wünsche einzustehen. Nicht selten gibt man sich immer wieder mit weniger zufrieden, um die Beziehung irgendwie retten zu können und in der Hoffnung, der Partner zieht vielleicht doch irgendwann auf diesem Weg mit. Fakt ist: jeder macht seine eigene Entwicklung und wenn nicht beide die gleiche Richtung ansteuern, kommt früher oder später der Punkt, an dem man sich nur noch gegenseitig zurück zieht und man - um seine Grenzen wirklich zu durchbrechen - loslassen muss.
 
 

Tour

Eine Grenze waren für mich Berge beziehungsweise Steigungen. Bei meinen letzten Fahrradtouren habe ich diese eher gemieden und mir nur flache Touren rausgesucht. Ich habe mir schlichtweg nicht zugetraut Berge meistern zu können (gut versteckt hinter einem «Ich habe gar keine Lust auf Berge») und habe mich so eher auf einfachen Strecken gehalten.
 
Also beschloss ich mich dieses Mal nicht mehr vor Bergen zu drücken. Nachdem es mich eh in den Süden zieht, war mein erstes Ziel, diese Grenze in der Ardèche zu durchbrechen und ich stellte mich in den Wochen vor der Tour voller Entschlossenheit darauf ein.
 
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In meiner gespielten Geduld hatte ich mir drei Tage gegeben, bis ich das ganze mit links meistern sollte. Nach drei Tagen voller, Absteigen, schieben und schwitzen, erkannte ich dann doch mal die Absurdität meines Unterfangens:
Ich hatte seit meinem Umzug fast keinen Sport mehr gemacht, ich bin beladen für neun Wochen inklusive Trompete, ich bin noch nie wirklich Berge mit dem Fahrrad gefahren und es ist Hochsommer in Südfrankreich. Als das ganze Unterfangen nicht leichter zu werden schien, gestand ich mir ein, dass ich gerade versuchte Grenzen zu durchbrechen, die weit hinter meiner aktuellen Grenze lagen. So suchte ich mir zwei mal eine Mitfahrgelegenheit und hatte anschließend die schönsten Abfahrten, die ich mir vorstellen könnte!
 
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Nun liegen Pilat und Ardèche hinter mir und ich kann sagen: Berge kann ich! Es gibt definitiv Grenzen und um die knacken zu können, braucht meine körperliche Kondition mehr als eine Woche Training..
 
Aber ich weiß mit Sicherheit, dass ich immer hoch komme. Sei es fahrend, schiebend, pausierend oder im Auto.
Es gibt immer eine Lösung, um den Gipfel zu erreichen!
 
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